Allererste quantenschäumende Weblese-Sahne #113
Klimakleber sind nötig für uns, invasive Feuerfische platt machen, Gentechnik in Baumwoll-T-Shirts, unregulierter Kapitalismus
Tagchen, Leute, ohne viel Vorrede (denn die Texte sind ganz schön lang geworden dieses Mal) gleich zu unseren Themen:
Warum Klimakleber nötig sind
In diesem Artikel auf Übermedien.de schaut sich Friedemann Karig den Aufstand der letzten Generation an:
Die „Letzte Generation“ hat ihre Themen, Anliegen und Persönlichkeiten mit wenig Budget innerhalb kürzester Zeit in die breite Öffentlichkeit gebracht. Über sie und ihre Schwesterorganisationen „Extinction Rebellion“ und „Just Stop Oil“ wurde so groß berichtet wie über kaum eine Gruppierung der vergangenen Jahre. Die Videos erreichten hunderte Millionen Abrufe, die „New York Times“ kommentierte, Staatschefs äußerten sich. Wer mir ein Beispiel eines quantitativ effizienteren Protests zeigt, bekommt einen unversehrten Monet.
Ich finde längst nicht alles an der Letzten Generation gut oder unterstütze jeden ihrer Proteste oder ihrer Forderungen. Aber:
Leider ist diese Diskussion darüber, was wir als Politik, Wirtschaft, Einzelne sofort zu tun haben, um die Folgen des menschenverursachten Klimachaos, das da auf uns zukommt, zu begrenzen, notwendig und überfällig. Wissenschaftler sagen, wir haben nur noch ein paar Jahre, unseren CO2-Ausstoß auf 0 zu reduzieren, um die Klimaerwärmung auf unter 2° Celsius zu begrenzen.
Auf 2° Celsius zu begrenzen klingt so harmlos, daß die Mehrheit denkt wie Putin, der sagte, dann ziehen die Frauen einfach öfter Bikinis an! Ha ha ha! Aber auf einer Welt, die zu ca. 70% von Wasser bedeckt ist, bedeuten 2° Celsius um Durchschnitt, daß es auf dem Land ca. 4-5° wärmer wird und in Innenstädten ca. 7-8° Celsius. Im Durchschnitt! Also rechnet auf jede Temperatur einfach 8° rauf: wenn Du letzten Sommer kaum schlafen konntest bei 23° nächtlicher Temperatur draußen, was meinst Du, wie Du pennen wirst bei 31° nachts?
Zudem hat unsere Bundesregierung bereits internationale Versprechen gegeben, an die sich sich aber nicht halten will. Aber nicht, weil sie mehr oder besseres weiß, sondern weil sie von Lobbyisten von fossilen Firmen, Autofirmen und was weiß ich vollgequatscht und bezahlt wird. Dieses Verhalten der Bundesregierung ist die wahre Mißachtung der Demokratie, nicht die Verkehrsblockaden der Letzten Generation.
Auf sozialen Medien, in der Presse und sogar im Bundestag wird die Letzte Generation als Terroristen beschimpft. Ihnen werden Todesfälle untergeschoben, sie werden kriminalisiert. All das führt zu immer mehr Gewalt gegen die Klima-Aktivisten, angefangen bei Schmerzgriffen der Polizei gegen Minderjährige und Rentner (wenden sie die auch an, falls sie mal gegen organisierte Kriminalität vorgehen?) bis hin zu Selbstjustiz von zumeist männlichen Autofahrern. Und wenn ihr in Zukunft einen Stau verursacht, z.B. weil ihr vom Fahrrad fallt und euch die Hüfte brecht und einfach liegen bleibt, bis ein Rettungswagen kommt, denkt ihr dann, daß diese gewalttätigen Autofahrer auf euren Zustand Rücksicht nehmen werden?
Andere Protestformen werden einfach ignoriert. Seit Demonstrationen mit mehr als 30.000 Mitgliedern gegen G7-Gipfel geht die Polizei gegen Proteste militärisch vor (in Garmisch-Partenkirchen sogar mit Unterstützung von Fallschirmjägern). Protestierende werden drangsaliert, erfasst und eingeschüchtert. Seitdem gehen immer weniger demonstrieren, aber nicht, weil sie mit der tollen Politik einverstanden sind. Wir haben also das Demonstrationsrecht quasi abgeschafft.
Klimakleber wurden in Bayern präventiv eingesperrt, um über Weihnachten keine Problemchen zu haben. Die Argumentation: das Verhalten dieser Minderheit sei undemokratisch (denn wären die Klimakleber eine Mehrheit, wäre ihr Protest ja quasi legitimer Ausdruck derselbigen). Viel demokratischer ist es in Bayern, eine unbequeme Minderheit wegzusperren, BEVOR sie ihre Meinung äußert oder straffällig wird. Und ick dachte immer, insbesondere der Umgang mit Minderheiten bestimme den Grad an Demokratie eines Landes!
Sie zerstören Kunst, sagen haufenweise Leute, die sich um Kunst einen Scheiß kümmern. Und anscheinend mehr darüber aufregen, wie mit Kunst umgegangen wird, statt darüber, wie unser System mit Natur umgeht. Und übrigens: keine Kunst wurde zerstört, s. Artikel von Übermedien.de. Und weiter übrigens: Museen sind sehr klimaschädlich, insbesondere klimatisierte, superprächtige Neubauten (nur ganz wenige Exponate benötigen wirklich Klimatisierung, so ein Museumsexperte in einer der letzten Print-TIPs aus Berlin).
Das fasst die Haltung des feinsinnigen Bürgertums gut zusammen: Mit Kunst und Essen spielt man nicht, mit eurer Zukunft schon.
Die Klimakleber sollen doch lieber arbeiten gehen, sich bilden lassen, nix verschwenden usw. Sie sollen doch selber komplett vorbildlich sein und auch erstmal Danke sagen, bevor sie Kritik äußern dürfen. Die Schüler:innen von Fridays for Future, wie können sie es wagen, in ihrer Schulzeit zu protestieren? Wie können sie so undankbar sein und behaupten, die Welt ginge unter, NUR WEIL MEHR ALS 60.000 WISSENSCHAFTLER DAS IM IPCC-REPORT BEHAUPTEN? Aber als ihr selber alle jung wart, habt ihr da auch rebelliert? Wart ihr da schon arbeiten, durchgebildet, vorbildlich? Verstehe. Scheinheiligkeit nennt man sowas.
Was ist mit Protesten von Bauern auf Traktoren? Die sperren auch Berlins Innenstadt gerne mal komplett ab, aber regen sich die CDU-Politiker und die BILD-Zeitung da auch so auf?
Nein. Leider sind Proteste dieser Form nötig, mehr als nötig. Insbesondere auch im Straßenverkehr. Denn so ganz schuldlos an mehr als 2.500 Verkehrstoten pro Jahr, an Platzverlust für Blechlawinen in Innenstädten, an überhöhten Krankenversicherungs-kosten für alte, fette, unbewegliche Menschen (die immer nur Autofahren, Fahrstuhlfahren, Fernsehen und sich dann wundern, warum sie sich nicht mehr bewegen können), an Lärmbelästigung, an Reifenabrieb, an Ruß- und Feinpartikel-belastungen in Städten sind die Damen und Herren Autofahrer eben doch nicht.
Invasive Spezies einfach akzeptieren - oder jagen?
In Neuseeland wurden Ratten eingeschleppt, auf Inseln vor der nordkalifornischen Küste auch. Die fingen an, dort Vögel und insbesondere Küken von Bodenbrütern zu fressen und so zerstörten sie die heimische Fauna. Daher liefen dort Programme, um die Ratten zu töten. Die waren erfolgreich.
Wie das in Nordkalifornien lief, ist übrigens Gegenstand eines meiner liebsten Bücher von TC Boyle: Wenn das Schlachten vorbei ist.
Der hier verlinkte Artikel im New Yorker handelt von Feuerfischen (auf englisch: lion fish). Die sind eigentlich in Asien beheimatet, bleiben dort relativ klein und fressen eine ganz bestimmte Fischart. Aus Aquarien in USA sind die dann in die Gewässer um Florida und der Ostküste der USA geraten, weil sie anscheinend in Aquarien alles andere auffrassen. Das tun sie nun auch in Florida, wo sie sich vermehren wie Ratten, alle anderen Fischarten vertreiben. Dazu sind sie äußerlich giftig, zumindest an einigen ihrer stachligen Flossen.
Glücklicherweise sind sie aber eßbar (für Menschen) und wirklich ziemlich doof, wenn sie gefangen werden. Und so gibt es in Florida Taucher, die Feuerfische jagen und bei einem Tauchgang ca. 100 Fische fangen, die dann verwertet werden (hier ein Video vom Drachenfisch-Fang). Ein solchermaßen gereinigtes künstliches Riff ist dann ca. 1-2 Monate Feuerfisch-frei.
Und das ist das Problem: die Ratten auf Inseln zu bekämpfen, wie in Neuseeland und Nordkalifornien, ist schwer und kompliziert. Aber wenn man gründlich war, bleiben sie fern. Hier beim Feuerfisch-Problem sind das keine Inseln, denn zwischen den künstlichen Riffen gibt es trotzdem Wasser, in dem überlebende Drachenfische und vor allem ihre vielen Eier weiterhin rumschwimmen.
Gentechnik in Baumwolle?
Da denkt man, aller Einsatz von Gentechnik wird geprüft, z.B. auf Folgen für Mensch oder Natur. Aber nee, Baumwolle, die nicht gefressen wird, wird auch nicht geprüft. Also haben wir gentechnisch manipulierte Baumwollpflanzen bereits seit ca. 20 Jahren. Wußtet ihr das? Und weil es für Kleidung ist, nicht für Essen, braucht sowas auch nicht gekennzeichnet werden.
Kapitalismus ohne Regulierung, ein Beispiel
Der Konzern Johnson & Johnson hatte früher gerne das Rote Kreuz auf eigenen Produkte gedruckt, um bei Kunden besser wahrgenommen zu werden. Der amerikanische Kongress untersagte dieses Verhalten allen Firmen außer dem Roten Kreuz. Johnson & Johnson antwortete darauf mit einer Klage gegen das Rote Kreuz wegen Trademark- Verletzung.
Später entdeckte Johnson & Johnson die wunderbare Wirkung von Talc auf menschliche Haut und Babyhaut insbesondere. So beschafften sie sich eine eigene Talk-Mine in Vermont, von der seit 1872 bekannt war, daß sie Asbestverschmuztungen hatte. Seit 1971 war Mitarbeitern und Geschäftsführung von Johnson & Johnson bekannt, das dieser Talc Krebs erzeugen kann. Trotzdem war Talc laut interner Dokumente für Johnson & Johnson ein Türöffner in ganze Familien, ihr wertvollstes Asset, um Vertrauen zu schaffen.
Als dann in Summe 40.000 Kläger:innen vor Gericht Urteile erwirkten, um Schadensersatz in Milliardenhöhe zu erhalten, weil sie Krebs hatten aufgrund ihrer Talc-Nutzung, ging Johnson & Johnson absichtlich in Insolvenz, um genau diese Zahlungen zu umgehen.
Talc war Johnson & Johnson’s Produkt, um Vertrauen zu schaffen, aber richtig ehrlich meinen Kapitalisten sowas nicht. Und genau so funktioniert Kapitalismus ohne Regeln: Diese Typen wußten, dass ihr Produkt gefährlich ist, benutzen es aber weiter, weil alle es so positiv finden und die Folgen zeitlich stark versetzt auftreten. Als es dann zum Schaden kommt, drückt sich Johnson & Johnsen vor der Verantwortung, den Kund:innen ein gefährliches Produkt aufgeschwatzt zu haben. Die ergaunerten Profite sollen weiter möglichst den Anteilseignern zu Gute kommen (denn im Insolvenzverfahren gibt es Schutz vor Gläubigern, auch wenn das Schadensersatzkläger sind) statt den Menschen, die man schädigte.