Allererste quantenschäumende Weblese-Sahne #141
In einem Artikel im New Yorker über die Versuche, länger zu leben, offenbart der Autor Dhruv Khullar ein völlig falsches Verständnis von Statistik, das mir schon oft aufgefallen ist, das quasi die ganze Menschheit plagt:
"For most of history, humans didn't live long enough to confront the ailments of old age. In 1900, a baby born in the U.S. could expect to live just forty-seven years, and one in five died before the age of ten." (Dhruv Khullar)
Khullar impliziert, dass 47 Jahre Lebenserwartung bedeuten, dass kaum jemand 50 Jahre alt würde, oder noch älter, sagen wir 70 (um die “ailments of old age” zu konfrontieren). Das stimmt aber ganz und gar nicht. Khullar versteht Statistik nicht. Diese 47 Jahre Lebenserwartung sind ein Durchschnittswert:
Man sieht gleich, so ein Durchschnitt heißt, 50% sterben vorher, 50% nachher. Das bedeutet in jedem Fall, nicht wenige Menschen werden deutlich älter als 47 Jahre. Die 47 als Durchschnittswert entsteht aber auch, weil (wie Khullar ausführt) 20% der Neugeborenen früh sterben. Das bedeutet, meine Skizze ist nicht mal korrekt, weil nur dahingeschmiert: denn wenn 20% bereits früh sterben, müssen auch viel mehr Leute älter als 47 Jahre werden, sonst wäre 47 nicht der Durchschnitt FÜR ALLE.
Und das Hochschnellen der durchschnittlichen Lebenserwartung im letzten Jahrhundert liegt nur ganz wenig am Verlängern des Lebens alter Leute. Es liegt viel mehr am Verhindern all dieser 20% früher Tode. Diese hohe Kindersterblichkeit wurde durch medizinischen Fortschritt gesenkt; allein dadurch schnellte die durchschnittliche Lebenserwartung nach oben, ohne dass jemand sonst älter wurde.
Und das heißt: auch früher, selbst bei Neandertalern, wurden Menschen 70 und 80 und es war nicht außergewöhnlich. Menschen haben schon immer die “ailments of old age” konfrontieren müssen. Und Statistik ist einfach, man muss nur dabei nachdenken. Aber wie sage ich gerne so oft?
Denken ist anstrengend. Das überlassen wir den Dummen.
Viel Spaß beim Lesen wünscht euch eure Internetkanone Gregor
PS. Justamente an diesem heutigen Tag bin ich mit meiner holden Auserwählten 25 Jahre verheiratet: Silbern nennt man diese Hochzeit. Wenn ihr Glückwünsche übermitteln wollt, dann an meine Auserwählte, daß sie es so lange aushielt mit mir.
Slopes along Apollo EVAs: Astronaut experience as input for future mission planning
Ein wissenschaftlicher Artikel von Wajiha Iqbal, James W. Head III, Carolyn H. van der Bogert, Thomas Frueh, Megan Henriksen, Valentin Bickel, David Kring, Harald Hiesinger, David R. Scott, Thomas Heyer, erschienen auf Acta Astronautica. Darin wird untersucht, wie sich das Gelände und die Navigation für die Astronauten der Apollo-Missionen auf dem Mond anfühlten, u.a. durch Nachbau ihrer EVA-Routen1 und durch Interviews, Debriefings und so mit Originaltönen der Astronauten. Sowas finde ich ja so interessant, ist quasi wie SciFi ohne Fi:
“The area out the left-hand window is a relatively level plain cratered with a fairly large number of craters of the 5- to 50- foot variety; and some ridges (which are) small, 20, 30 feet high, I would guess; and literally thousands of little, 1- and 2- foot craters around the area. We see some angular blocks out several hundred feet in front of us that are probably two feet in size and have angular edges. There is a hill in view, just about on the ground track ahead of us. Difficult to estimate, but might be a half a mile (∼800 m) or a mile (∼1.6 km).” (Neil Armstrong, Apollo 11)
Warum wird das gerade getan? Weil weltweit mehrere Missionen in Vorbereitung sind, wieder Menschen auf den Mond zu schießen.2 Und da will man vorbereitet sein. Ich persönlich bin nicht überzeugt, wir sollten Menschen durch unser Solarsystem schiessen, lieber Bots, denn das ist viel billiger, weil die Bots leichter überleben und wir letzten Endes einfach nur einen Bruchteil der Masse befördern müssen.
Denkt in diesem Zusammenhang dran: wegen benötigter Exitgeschwindigkeit, um die Gravitationssenke der Erde zu verlassen, und der Effizienz unserer Antriebe und so ergibt sich derzeit aus Ziolkowkis Raketengleichung, dass wir 90% der Raketenmasse an Treibstoff mitnehmen müssen, 8% der Masse für Steifigkeitskonstruktionen aufgebracht werden, damit die Rakete im Betrieb ihre Form behält, und nur 2% der gesamten Masse so einer Rakete Nutzlast sind.
Wir wollen also hochschießen:
ein paar Menschen, ihre Klamotten und ein paar persönliche Dinge
ihr Fressen
alle mögliche Technik fürs Schlafen, Wohlbefinden und für Versuche und Tests
Kommunikationsmittel
medizinische Infrastruktur, Geräte, Medikamente3
Wasser- und Abwasserzubereitung
Energieversorgung
Treibstoff für Navigation und Landung
Abschirmung gegen kosmische und solare Strahlung (viele verschiedene Strahlungen, die verschiedene Arten von Abschirmungen erforderlich machen)
Dieser ganze Krempel also sind die 2% der gesamten Raketenmasse, die uns nützen und dann auf Mission gehen. Diese Aufteilung ergibt sich durch Ziolkowskis Raketengleichung und die kann man bei Antriebseffizienz optimieren (sind wir schon am derzeitigen Höchststand) und bei der Masse. Und dieser ganze Krempel würde wegfallen für Bots (außer Energie, Forschungsapparate, Kommunikation und Navigation).
“Can't imagine what. You know, it's funny. On the slopes here, it's just a little bit softer. But there's no tendency to slip down or anything like that”.
Referring back to their field training, Conrad also mentioned “Hey, this is so much easier working around than in one g in our practice; it's unbelievable.”
In answer Bean also commented (at 134:34:45) “It's pretty easy to move along on this slope. It's just a little bit deeper and it's a little bit softer. I'm going to take a break here, Pete, for just a few seconds.” (Charles "Pete" Conrad, Alan L. Bean, Apollo 12)
Warum insistieren die Forscher:innen? Nun, das Space Race damals hat wenig gebracht außer Bilder für die Politik. Dieser politische Nutzen könnte auch heute der einzige Sinn sein.
Aber Ziolkowskis Gleichung sieht anders aus für den Mond. Dort hätte man mehr als 2% Nutzmasse, weil weniger Treibstoff benötigt wird (sogar weniger für Steifigkeit, glaube ich). Also könnte man viel größere Raumschiffe bauen und starten, wenn man sie auf dem Mond zusammenschraubt - aber hier gilt dasselbe, Bot-Missionen ins Solarsystem sind so viel einfacher, ungefährlicher und leichter.
Und selbst auf dem Mond ist es für Menschen gar nicht leicht, zu überleben:
keine Atmosphäre (also Dauerbombardment mit Mikro-Asteroiden)
Regolith, der Sand auf dem Mond quasi, ist aufgeladen, scharfkantig, sehr klein und DNA- und maschinenschädlich
nur 0,166g (gut für Starten und Landen, sehr schlecht für Menschen, die überhaupt nur gedeihen rund um 1g)
extreme Temperaturen von -248° bis 123° Celsius
kein strahlenabweisendes Magnetfeld und somit dauerhafte Oberflächenstrahlung von 317 mSv4
Also eigentlich ist Menschen auf den Mond schießen ein Programm für mehr Prestige einzelner Nationalstaaten, damit man Selbstmördern eine Möglichkeit gibt, nutzlose Forschung zu betreiben.
Later, Mitchell commented on the planned traverse “Well, what are we looking at here? We're looking at 700 m (horizontal) and we're going up about 80 m. So that's ten percent slope (∼5.7°). That's a pretty tough climb … And pulling the MET (Modular Equipment Transporter). No question that we started breathing harder. We were laboring. And trying to make time, too”. At station B3, where they were requested to take a break, Shepard's heart rate was about 150 bpm and Mitchell's was about 128 bpm. Astronauts Shepard and Mitchell made several breaks to cool down and catch their breath; they reported that the descent back to the lunar module was much easier. (Alan B. Shepard, Edger D. Mitchell, Apollo 14)
Was ich so las in the meantime
Als Hinweis: Autor*in und Buchtitel sind immer verlinkt zur entsprechenden Notiz auf Bookrastinating.com. Diese Notizen dort sind auf jeden Fall ausführlicher als das bissl Text hier NACH dem Link. Lohnt sich also.
Halldor Laxness - Atomstation: Ich war zugegebenermaßen recht lesefaul in der letzten Zeit. Das lag allerdings mehr an der Fusion, die ich besuchte, als an diesem Buch. Denn Laxness liest sich sehr modern und sehr zügig und humorvoll. Nicht umsonst gab es dafür 1955 den Literaturnobelpreis.
Boris Gloger - Agile Entrepreneurship: Warum es wichtig ist, heutzutage Unternehmen zu gründen! Nämlich, um diesen Scheißkapitalismus umzubauen.
Boris Gloger - Agile Entrepreneurship: muss ick als Unternehmer jeboren sein - oder nich?
Meilicke / Strobel - Aufgeheizt. Verschwörungserzählungen rund um die Klimakrise: Ein Buch der Bundeszentrale für politische Bildung, das helfen soll, mit Verschwörungstheorien umzugehen. Es gibt Empfehlungen für privat, Öffentlichkeit und Internet, schlägt Regulierung von Internethass vor, zeigt die Nähe von Verschwörungstheorien zu rechtsextremen Ansichten und Organisationen und erklärt mir persönlich, warum wir so krass gegen Windmühlen kämpfen z.B. bei der Klimakrise. Übrigens: Klimakrise leugnen und Maßnahmen dagegen blockieren ist ein und dasselbe, was das Befeuern der Katastrophe angeht, die auf uns zukommt.
Patricia Cornwell - Black Notice: Ein Roman aus der Kay-Scarpetta-Serie, einer Gerichtsmedizinerin, die oft Serienkiller jagt. Düster, verqualmt und oft brutal, lesen sich diese Dinger trotzdem runter wie warme Semmeln weggefuttert werden.
Kaum kommentierte Links:
Ein Weckruf auch für Europa: Kurzzitat ➜ “Gerechnet auf Bevölkerungsanteile von Juden und Muslimen gab es 2023 122-mal mehr antisemitische als islamfeindliche Hasskriminalität”. Darüber müssen wir auch mal reden.
Haie erstmals positiv auf Kokain getestet: kein Scheiß.
EVAs sind Extra-Vehikuläre-Aktivitäten, also allet außerhalb des Wohnmobils für euch Festivalpappnasen.
Im Gegensatz zu mir, wenn ich das meiner Frau vorschlage, meinen die das ernst.
Dies beinhaltet auch Fitnessgeräte, da wegen 0g die Damen und Herren Astronaut:innen sehr schnell verkümmern und dann ihren Job nicht mehr machen können oder komplett verrecken.
NASA hat einen Grenzwert von 600 Millisievert (mSv) für die gesamte Karriere eines Astronauten festgelegt. Dies entspricht dem maximalen Risiko eines strahlenbedingten Todes (REID) von 3% für tödliche Krebserkrankungen über die gesamte Karriere eines Astronauten.